Rossinis „Il barbiere di Siviglia “ ist seit seiner Uraufführung 1816 bis heute eine der beliebtesten Opern auf der ganzen Welt. Die heute bei Aufführungen häufig verwendete Ausgabe erschien vor über vierzig Jahren. Obwohl sie einen bemerkenswerten Versuch darstellt, eine italienische Oper des 19. Jahrhunderts in einer kritischen Ausgabe zu veröffentlichen, enthält sie viele von Rossinis Handschrift abweichende Stellen.
Mit einem neuen Band der bei Bärenreiter in Zusammenarbeit mit dem Center for Italian Opera Studies an der Universität von Chicago erscheinenden Werkausgabe „Works of Gioachino Rossini“ ist nun eine Edition der Oper verfügbar, die modernen Ansprüchen genügt.
Zahlreiche erkennbar nachlässig edierte Stellen der letzten kritischen Ausgabe haben die Herausgeber mit Rücksicht auf zusätzliche Quellen neu festgelegt. Die größten Änderungen betreffen die Ouvertüre, für die nicht weniger als zwanzig verschiedene Autographe herangezogen wurden.
Ein ausführlicher Anhang mit alternativen Gesangspartien, Hinweisen zu Verzierungen und für die Aufführungsgeschichte der Oper bedeutsame Werke Rossinis runden den Band ab.
Der separat erschienene Kritische Bericht umfasst 420 Seiten. Den Interpreten steht damit eine kritisch editierte Ausgabe zur Verfügung, die es ermöglicht, Rossinis „Barbier von Sevilla“ mit der größtmöglichen Verlässlichkeit des Notentextes aufzuführen. Das Aufführungsmaterial ist leihweise erhältlich, der Klavierauszug erscheint Ende 2009.
Bis 1829 war Rossini ein außerordentlich produktiver Komponist, der komische, ernste und halbernste Opern in französischer und italienischer Sprache sowie eine große Zahl an vokalen und instrumentalen Werken schuf. Er komponierte geistliche Musik, vokale Lehrwerke und Kantaten. Hieran schloss sich eine Periode von mehr als 25 Jahren an, in der er – abgesehen von einigen Liedern und dem Stabat Mater – aus den unterschiedlichsten Gründen nur sehr wenig Musik schrieb. Erst als er 1855 Italien endgültig den Rücken kehrte und nach Paris ging, fand er seine Stimme wieder. Zwischen 1857 und 1868 entstand erneut eine Reihe von Meisterwerken – die so genannten „ Péchés de vieillesse “ (Alterssünden), darunter Kammermusik, Lieder und die „ Petite Messe Solennelle “.
Die Ausgabe „Works of Gioachino Rossini“
Die Erarbeitung einer kritischen Ausgabe von Werken Rossinis ist ein komplexes Unterfangen. Von seinen Opern fertigte er häufig zahlreiche Fassungen an, die sämtlich ediert werden müssen. Die Quellen seiner Kompositionen anderer Gattungen, die über die ganze Welt verstreut sind, müssen identifiziert, katalogisiert und ausgewertet werden, wenn wir seine Musik in einer Form zugänglich machen wollen, die den Bedürfnissen von Wissenschaftlern und Ausführenden gleichermaßen gerecht wird.