Wie klingt der Sommer?

von Holger Slowik (06.08.2021)

Flirrende Hitze, laue Abende, Gewitter… – der Sommer hat viele Gesichter, Töne und Klänge. Im Stretta Journal stellt dir Holger Slowik seine ganz persönliche Auswahl an Sommermusik vor.


Claude Monet: La Femme à l'ombrelle – Madame Monet et son fils (1875)

Klassiker eins: Vivaldi

Sie sind der Klassiker unter den musikalischen Schilderungen der Jahreszeiten: die vier Violinkonzerte Die vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi.

Jedem der Konzerte ist ein Gedicht vorangestellt, das die jeweilige Jahreszeit beschreibt und in ihren Eigenheiten schildert. An diesen Gedichten hat Vivaldi Zeile für Zeile entlangkomponiert, in den Noten finden sich sogar kurze programmatische Hinweise, was die Musik gerade darstellen möchte.

Was für einen Sommer schildert Vivaldi? Für ihn ist der Sommer die „harte Jahreszeit“ („dura Stagion“), in der die gleißende Sonne Mensch, Tier und Pflanzen vor Hitze schmachten lässt. Mit in sich kreisenden, von vielen Pausen unterbrochenen, häufig sich wiederholenden kurzen Motiven malt der Komponist diese sommerliche Atmosphäre der Trägheit, die nur von vereinzeltem Vogelgesang – Kuckuck, Turteltaube und Stieglitz – unterbrochen wird.

Kaum lindern „milde Südwinde“ („Zeffiretti dolci“) ein wenig die Hitze, fährt der Nordwind heftig dazwischen. Ein Hirte, von den Winden aufgeschreckt aus seinem Dösen und gequält von Insekten, weint nicht nur „aus Furcht vor dem aufziehenden Gewitter“ („perchè sospesa teme fiera Borasca“), sondern auch „um sein Schicksal“ („e ‘l suo destino“). Im turbulenten letzten Satz entlädt sich das Sommergewitter, „und riesige Hagelkörner schlagen die Ähren der reifen Getreidehalme ab“ („e grandinoso Tronca il capo alle spiche, e à grani altieri“). Vivaldis Sommer endet mit einer Naturkatastrophe – aber sein Herbst beginnt mit einem Fest der Landleute. Vielleicht hat der traurige Hirte das alles nur geträumt?

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Klassiker zwei: Gershwin

Einen Traum anderer Art besingt „Summertime“ von George Gershwin , ein Wiegenlied aus seiner Oper Porgy and Bess aus dem Jahr 1935. Kein Song in der Geschichte der Musik wurde so oft gecovert und existiert in stilistisch so unterschiedlichen Fassungen.

Die Bewohner der armseligen Straße Catfish Row vertreiben ihre Sorgen einen Sommerabend lang mit Musik und Tanz. Clara steht am Rand und singt ihr Kind in den Schlaf. Sie malt ihm den Sommer und seine Zukunft in leuchtenden Farben („Summertime, And the livin‘ is easy…“; „Oh, Your daddy’s rich, And your mamma’s good lookin‘“), bis hin zu jenem utopischen Morgen, an dem das Kind sich aus dem Elend erheben wird:

„One of these mornings
You’re going to rise up singing
Then you’ll spread your wings
And you’ll take to the sky“

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Flirrende Hitze und stillstehende Zeit

Die Sommerhitze scheint zum Tagträumen anzuregen. Nirgends wurde das Dösen im Schatten musikalisch eindringlicher geschildert als in Claude Debussys Orchesterstück Prélude à l’après-midi d’un faune, dem „Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns“. Dieses Schlüsselwerk des musikalischen Impressionismus basiert auf einem suggestiven Gedicht von Stéphane Mallarmé, das die (durchaus erotischen) Träumereien eines Fauns, eines antiken Fabelwesens, schildert.

Debussy wendet zur musikalischen Darstellung der Sommerhitze und zur Schilderung des changierenden Zustands zwischen Traum und Wachen ein Prinzip an, das wir schon bei Vivaldi beobachten konnten: das permanente Wiederholen der immer gleichen Motive.

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Sommernachtsträume

Von Fabelwesen ganz anderer Art bevölkert ist Shakespeares Ein Sommernachtstraum. Aus der kongenialen Schauspielmusik von Felix Mendelssohn-Bartholdy sei nur ein kurzer Ausschnitt vorgestellt, auch ein Gute-Nacht-Lied, allerdings von ganz anderer Art als „Summertime“: Nachdem Insekten und anderes Getier vertrieben sind, wird der Nachtvogel schlechthin eingeladen, mit einzustimmen: „Nachtigall mit Melodei, sing‘ in unser Eiapopei‘.“ Begleitet wird der Gesang der Elfen von einer Musik voller sommerlicher Leichtigkeit.

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Es flüstern und sprechen die Blumen

Gerade im Sommer genießt man die Frische des Morgens. Endlich kann man ein paar klare Gedanken fassen, bevor die Mittagshitze wieder alles lähmt und träge macht. So denkt es sich auch der liebeskranke Sänger im Zyklus Dichterliebe von Robert Schumann nach Gedichten von Heinrich Heine. Bei einem morgendlichen Spaziergang sucht er Ablenkung von seinem Liebeskummer.

„Am leuchtenden Sommermorgen
Geh‘ ich im Garten herum“

Doch auch bei ihm verschieben sich Traum und Wirklichkeit:

„Es flüstern und sprechen die Blumen,
Ich aber wandle stumm.“

Nicht nur, dass er die Blumen sich unterhalten hört, sie sprechen ihn direkt und tröstend an:

„Es flüstern und sprechen die Blumen,
Und schau’n mitleidig mich an:
Sei unsrer Schwester nicht böse,
Du trauriger blasser Mann!“

Sprechen hier wirklich die Blumen? Ist das alles ein Sommermorgentraum? Schumann unterlegt das gesamte Lied mit einer gleichbleibenden, absteigenden Begleitfigur im Klavier, die in ein langes Nachspiel mündet. Der Sommer als Zeit des Innehaltens und Nachdenkens – nirgends kommt das besser zum Ausdruck als in diesem Höhepunkt romantischer Liedkunst.

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Der Garten trauert

Gänzlich zu sich selbst kommt die Natur in Hermann Hesses Gedicht September, das das Ende des Sommers aus dessen eigener Perspektive schildert. Kühler Regen und die ersten Blätter fallen, der Sommer steht nicht mehr in seiner vollen Blüte, kann nur noch zusehen: „Sommer lächelt erstaunt und matt in den sterbenden Gartentraum.“

Niemand scheint geeigneter, die milden Farben des Spätsommers musikalisch nachzuzeichnen, als Richard Strauss, ein ganz großer Virtuose der Orchestration. Im Lied „September“, Teil von Strauss' Vier letzten Liedern, kommen die abgeklärte Kompositionskunst und die Weltabschiedsstimmung des 84-jährigen Komponisten in idealer Weise zusammen.

„Lange noch bei den Rosen bleibt er stehen“. Hier blühen die Sängerin und das Orchester nochmal in den leuchtendsten Farben auf, bevor der Sommer endgültig – in großer Ruhe – Abschied nimmt: „Langsam tut er die großen, müdgewordenen Augen zu.“

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