Gruselmusik

Playlist: Schauerliche Klassik

von Florian Boberski (25.10.2021)

Kommen Sie in die kühlen Katakomben der beklemmendsten klassischen Kompositionen! Kreidebleich können Sie im kalten Keller einer Kathedrale mit klappernden Zähnen den kunstvoll-konzertierten Klängen lauschen. Spielt da eine Orgel? Nein, für diese Playlist wurde zu Beginn selbst eines der bedeutendsten Stücke aller Zeiten für Orchester arrangiert, um noch effektvoller zu wirken. Entdecken Sie die Abgründe klassischer Musik!

Manchen mag die Orchesterversion von Johann Sebastian Bachs Toccata & Fuge in d-Moll nach dem Arrangement von Leopold Stokowski bereits erschüttern (zugegeben, die tiefen Kontrabassklänge können in der richtigen Stimmungslage schon etwas Gänsehaut auslösen), aber wir wollen hier heute tiefer graben.

„La masque de la mort rouge“ aus Conte fantastique von André Caplet sorgt schon für perfideren Grusel… kein Wunder, ist es doch die Vertonung einer Geschichte des Horror- und Schauergeschichten-Altmeisters Edgar Allan Poe persönlich.

Und schon sind wir im 5. Satz der Symphonie Fantastique von Hector Berlioz: Hexensabbat! Schrille Klarinettenklänge, wieder Kontrabässe, dazu Gänsehaut garantierende Glissandi und die Geisterstund’ einläutende Glockenschläge. Spoiler-Alert! Haben Sie die Melodie des Todes gehört? Bald erfahren Sie mehr dazu...

Der Beginn des 3. Satzes der Klaviersonate Nr. 2 von Frédéric Chopin lässt uns wieder atmen. (Zumindest mechanisch wie Darth Vader, der, so glaubt man, den Raum betritt – erkennen Sie die Ähnlichkeit zum Imperial March?) Jeder Horrorfilm und jede Schauergeschichte lebt schließlich von kurzen Erholungsphasen. Beinahe lieblich klingt der Abschnitt in Dur, nur einzelne Schockakkorde lassen uns fast vom Schaukelstuhl kippen. Alles in allem aber wirklich nur Soft-Grusel, würde man nicht an Chopins eigenes, trauriges, von Krankheit geplagtes Leben denken. Das Genie Chopin, dem wir so viele geliebte Klavierstücke verdanken, starb bereits 39-jährig an der Folge von Tuberkulose, schwer depressiv und völlig mittellos... und da ist sie nun doch, die Gänsehaut, als die Kerze durch unser mitfühlendes Seufzen flackert.

Wir befinden uns nun direkt in der Geisterstunde. Schließen Sie jetzt die Augen, wenn Sie dem Danse Macabre von Camille Saint-Saëns lauschen. Zugegeben, die Komposition verursacht nicht die schaurigste Stimmung, aber ein starkes Bild, wenn Sie sich vorstellen, dass der Geist von Camille Saint-Saëns selbst noch diesen Dezember, an seinem 100. Todestag um Mitternacht ein ganzes Orchester aller verstorbener Komponistengrößen auf der zerklüfteten Ebene eines durch Gewitter versteckten Berggipfels zu seinem Danse Macabre antreiben könnte… haben sie die Todesmelodie gehört?

Hier in Franz Liszts Totentanz ist sie direkt zu Beginn wieder, in Reinform, nicht zu überhören, die Todesmelodie. Filmmusik-Kenner werden gleich auch an die hämmernden und schmiedenden Orks aus Der Herr der Ringe denken... denn auch dort wird diese Tonfolge zitiert.

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Kommen wir nun zu einem weiteren sehr beliebten Element in Horrorfilmen: Die Kirche und ihre Musik, steht sie doch eigentlich auch für das Reine, Göttliche und Gute. Das „Dies Irae“ aus dem Requiem von Giuseppe Verdi ist kein dezidiertes Grusel-Spektakel, aber lässt bestimmt niemanden kalt.

Ein weiteres beliebtes Element in Horrorfilmen sind Kinderlieder… von Natur aus gut und unschuldig, verstört es hochgradig, wenn wir Kinder oder kindliche Musik in einer bösen Darstellung erleben. Ein Spieluhr, die ein harmloses Kinderlied vollkommen verzerrt wiedergibt, lässt uns erschauern. Nur eines ist schlimmer: Wenn wir herausfinden, dass Béla Bartók, bekannt für seine kindgerechten Etüden und Klavierschulen für Kinder, höchstpersönlich schauerliche Musik geschrieben hat. Vor diesem Hintergrund ist die Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta von Béla Bartók (3. Satz) noch unheimlicher! Da hilft uns nur ein starker Animagus…

Nun ein Ausflug in die Welt des Kunstlieds. Der Erlkönig von Franz Schubert spricht für sich – hier in der diabolischen Version von Ian Bostridge (der übrigens ein großartiges Buch über die Winterreise geschrieben hat), begleitet von Julius Drake. Danach Der Feuerreiter von Hugo Wolf in einer Version für Chor und Orchester. Gänsehaut garantiert!

Chor und Grusel, da darf der „Geisterchor“ aus dem Fliegenden Holländer von Richard Wagner nicht fehlen, inklusive Windmaschine und eine großartige Darstellung des Winds im Orchester. Unerbittlich lehren die untoten Holländer den Matrosen das Fürchten, die mit immer lauterem Singen, das Windgeheul und die schaurigen Gesänge der Holländer vertreiben wollen... chancenlos!

Last but not least in unserer Schauerliche Klassik-Playlist: „Suggestion Diabolique“ aus Vier Stücke op. 4 von Sergei Prokofjew, der bekannt dafür ist, dass er Kinderherzen in seinem sonst so frohen musikalischen Hörspiel Peter und der Wolf mit dem Thema des Wolfes verstört (aber Ende gut, alles gut).

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Dazu: Eine Nacht auf dem kahlen Berge von Modest Mussorgsky. Eine weitere Nacht voller Hexen, deren Ende fast beruhigend ausklingt. Obwohl da wieder diese eine Melodie zu hören war…

Ich will Sie nun aber nicht mehr länger auf die Folter spannen, Kenner wissen es längst:

Die Tonfolge, die wir seit mindestens 800 Jahren mit dem Tod verknüpfen, ist das „DIES IRAE“, der Tag des Zorns, des jüngsten Gerichts. Die Sequenz entstammt einem Gregorianischen Choral und wird oft dem Franziskanermönch Thomas von Celano zugeschrieben. Dies ist jedoch höchst zweifelhaft, denn es existiert ein Kodex mit dem Text der Sequenz, der noch älter ist und vom Ende des 12. Jahrhunderts stammt...

Am Ende bleiben einige Fragen offen: Ist die Melodie des „Dies Irae“ schon seit Urzeiten in unseren Köpfen verankert und wird automatisch synonym mit dem Tod verbunden? Woher stammt Sie wirklich? Wird diese Tonfolge als bloße Hommage an den alten, christlichen Gregorianischen Choral absichtlich zitiert oder steckt mehr dahinter? Wussten Sie übrigens, dass Halloween nicht ein rein amerikanisches Fest des Kommerzes ist, sondern ursprünglich im katholischen Irland verbreitet war und vermutlich auf das noch viel ältere, keltische Samhainfest zurückgeht?

Mit diesem Wissen durchfährt Sie fortan vermutlich ein kalter Schauer, wenn Sie die Tonfolge der mittelalterlichen Sequenz hören… Joseph Haydn, Hector Berlioz, Johannes Brahms, Franz Liszt, Charles Gounod, Gustav Mahler, Pjotr Iljitsch Tschaikowsky, Sergei Rachmaninow, Mieczysław Weinberg und viele mehr… sie alle konnten dem Bann dieser Töne nicht widerstehen. Gerade auch in Filmen wird die Sequenz regelmäßig verwendet, wenn der Tod auftritt. Ob in Star Wars, Der Herr der Ringe, Dracula, Fluch der Karibik, Harry Potter, Der König der Löwen, sogar in Disneys Prinzessinnenfilm Frozen. Mehr über die Melodie des jüngsten Gerichts und ihre Zitierungen in verschiedensten Filmen finden Sie hier: Why this creepy melody is in so many movies

Sie wissen nun Bescheid und könnten nun aufhören, aber das wäre schade! Starten Sie nun lieber die nächste Playlist!


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Einführung in die Gruselmusik

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